Abwertung und Gewalt gehören für viele Frauen zu ihrem Lebensalltag und treten in den verschiedensten Bereichen auf.
Sexismus
Die Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit ist sehr vielschichtig und betrifft alle Geschlechter. In einer Studie des BMFSFJ aus dem Jahr 2020 gaben 44 Prozent aller Frauen und 32 Prozent aller Männer an, Situationen zu erleben, in denen sie persönlich Adressat*in sexistischer Zeichen und Übergriffe sind. Es zeigen sich jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede. So weisen Frauen allgemein eine höhere selektive Unempfindlichkeit aus Selbstschutz sowie eine Gewöhnung an „soften“ Sexismus auf.
"Die Alltäglichkeit solcher Erfahrungen erzeugt Gewöhnung, nimmt die Überraschung und lässt abstumpfen, nimmt diesen Formen des Sexismus ihre Relevanz – denn wenn sie sich stets darüber aufregen und verletzt fühlen würden, wäre für manche jeder Tag ein Tag der Verwundung. Davor schützen sie sich durch Nivellierung und Ausblendung." (BMFSFJ 2020)
Formen der Gewalt
"Gewalt beginnt nicht erst mit Schlägen. Auch Bedrohungen, Beschimpfungen, Belästigungen und Kontrolle durch den Partner oder die Partnerin sind Formen von Gewalt. Sie kann Menschen aller sozialen Schichten und jeden Alters treffen: Zuhause, in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz oder online." (BMFSFJ 2021)
Das BMFSFJ nennt verschiedene Formen von Gewalt. Gemein ist ihnen, dass vorwiegend, aber nicht ausschließlich, Frauen* betroffen sind. Dies gilt in besonderem Maße für Mädchen* und Frauen* mit Behinderungen (BMFSFJ 2021).
Allein 2020 gab es 148.000 gemeldete Fälle von Partnerschaftsgewalt in Deutschland. Dabei war in 4 von 5 Fällen eine Frau betroffen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um die erfassten Fälle. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Eine Studie des BMFSFJ (2014) benennt verschiedene Faktoren, welche die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Parerschaftsgewalt erhöhen: extrem ungleiche Macht und Rollenverteilungen; fehlende soziale Einbindung und Isolation der Frauen; Alkoholkonsum der Partner*innen; Gewalt in Kindheit und Herkunftsfamilie; Migrationshintergrund, besonders in Verbindung mit mangelnden Sprachkenntnissen und fehlender sozialer Integration; Einkommen, Erwerbseinbindung und beruflicher Status der Frauen.
Neben partnerschaftlicher Gewalt stellt auch Gewalt im Namen der "Ehre" ein Risikofeld insbesondere für Frauen dar. Unter "Ehrenmorden" versteht man Morde aufgrund eines Verstoßes gegen die "Familienregeln". Bislang sind für das Jahr 2020 53 "Ehrenmorde" bekannt (ehrenmord.de). Die Dunkelziffer wird auch hier deutlich höher liegen.
Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2019(opens in a new tab)) ergab, dass 13 Prozent der befragten Frauen (5 Prozent der Männer) in den letzten drei Jahren Opfer sexueller Belästigung geworden sind. Am häufigsten treten Belästigungen in der Form von sexualisierten Kommentaren oder Gesten auf. Ein Viertel der Personen sprachen von unerwünschten Berührungen oder körperlichen Annäherungen. 80 Prozent der Betroffenen gaben an, dass es sich dabei nicht nur um Einzelfälle handelt.
Zwei von drei Frauen werden in ihrem Leben Opfer sexueller Belästigung. Jede siebte Frau erfährt schwere sexualisierte Gewalt. Dabei sind Frauen mit Behinderung zwei bis dreimal häufiger von sexueller Gewalt als Frauen ohne Behinderungen betroffen.
Frauen erfahren im Internet ein hohes Maß an digitaler Gewalt. So stellt der Deutsche Juristinnenbund (2019) fest: "Wo Frauen sich im Netz öffentlich oder gar politisch äußern, riskieren sie sexistische Anmache, pornografische Pöbeleien, die Androhung von Vergewaltigungen bis hin zu Morddrohungen“. Darüber hinaus werden digitale Technologien genutzt, um Frauen zu belästigen, auszuspionieren und zu überwachen (Dritter Gleichstellungsbericht 2020).
Im Jahr 2019 wurden laut Angaben des Bundeskriminalamts 16.432 Frauen und 3.772 Männer Opfer von Personen, die ihnen auf intensive und andauernde Weise nachstellten, sie belästigten oder bedrohten. Häufig handelt es sich bei den Personen um Expartner*innen, manchmal aber auch um Fremde oder nur entfernte Bekannte (Statista 2020).
Von Zwangsheirat sind Frauen und Männer betroffen. Zahlen über die Anzahl von erzwungenen Ehen sind kaum zu ermitteln. Terre de femmes stellt eine Übersicht über die Studienlage bereit.
Die Zahl der Genitalverstümmelungen an Mädchen und Frauen ist seit 2017 gestiegen. Etwa 67.000 der in Deutschland lebenden Mädchen und Frauen sind Opfer einer Genitalverstümmelung, ca. 3.000 bis 15.000 weitere Mädchen in Deutschland davon bedroht (BMFSFJ 2020).
Das Bundeskriminalamt stuft Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung als eines der lukrativsten Geschäfte der Organisierten Kriminalität weltweit ein (BKA 2022). Dabei reichen die Ausbeutungsverhältnisse von Betteltätigkeit oder erzwungenen strafbaren Handlungen über Zwangsprostitution und Zwangsarbeit bis hin zu Formen der Leibeigenschaft und Sklaverei. Laut Brot für die Welt leiden in Europa circa 600.000 Menschen unter diesen Formen moderner Sklaverei, weltweit sollen es 21 Millionen sein. Gerade im Bereich der Zwangsprostitution sind vor allem Mädchen und Frauen betroffen. Hier spielen weiterhin Geschlechterhierarchien und Gewalt gegen Frauen eine große Rolle.
Weiterführendes aus Kirche und Gesellschaft
Frauenrechtsabkommen
weltweit:
CEDAW : UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
CEDAW ist das wichtigste völkerrechtliche Menschenrechtsinstrument für Frauen. Die Vertragsstaaten werden zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen, einschließlich der Privatsphäre, verpflichtet. Das Übereinkommen trat am 03. September 1981 völkerrechtlich in Kraft.
Grundsatzpapier Gendergerechtigkeit im LWB
2013 verabschiedete der Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB) das Grundsatzpapier zur Gendergerechtigkeit. Der LWB hat sich verpflichtet, eine inklusive Gemeinschaft zu sein und Männern und Frauen die volle und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in Kirche und Gesellschaft sowie seinen Entscheidungsprozessen, Aktivitäten und Programmen zu ermöglichen.
europäisch:
Istanbul - Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
Ziel ist es, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen.
Der Europarat hat deshalb 2011 die Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt als völkerrechtlichen Vertrag ausgefertigt, der 2014 in Kraft trat.
Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt
2019 verabschiedete der Rat der EKD die Gewaltschutzrichtlinie, die in den Gliedkirchen der EKD in geltendes Recht übernommen wurden, bzw.es wurden eigene Gewaltschutzgesetze entwickelt. Prävention, Intervention und Hilfe bei sexualisierter Gewalt wurden Schwerpunkte der letzten Synodaltagungen.
Bis 2023 wird es eine wissenschaftliche Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland durch den Forschungsverbund „ForuM“ geben.
Positionspapiere und Beschlüsse der EKD
Hier ist nicht Mann noch Frau. Recht auf Gleichbehandlung ungeachtet sexueller Orientierung und Identität. Material zum Tag der Menschenrechte, EKD 2016
Gewalt gegen Frauen als Thema der Kirche. Ein Bericht in zwei Teilen, EKD 2000
Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen, Eine kritische Stellungnahme. EKD-Text 65, EKD 1999
Solidarität der Kirche mit den Frauen, Beschluss der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen, Leipzig 1990
Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche, Beschluss der Synode der EKD, Bad Krozingen 1989